KURZANLEITUNG FÜR ARBEITEN IN DEN HEMSBACHER BÜRGERWINGERTEN
Die Folgende Kurzanleitung beruht auf unseren bisherigen Erfahrungen. Sie wird ständig aktualisiert. Die Anleitung ergänzt die Schulungen im Wingert, kann diese jedoch nicht ersetzen.
1. REBERZIEHUNG
Reben sind Kletterpflanzen. Sie brauchen zum Wachsen Kletterhilfen: Stützpfähle, gespannte Drähte, Holzgestelle. Die Art, wie diese Kletterhilfen konstruiert sind, entscheidet darüber, ob die Rebe viele oder wenige Trauben trägt und über die Traubenqualität. Unter der Reberziehung versteht man alle Maßnahmen, die ein charakteristisches Stockgerüst aus dem alten Holz der Rebstöcke ergeben, wobei die Pflanzentfernung, das Unterstützungsgerüst (Stecken, Pfähle (Stickel), Spanndrähte u. a.) und der Schnitt des einjährigen Holzes mitentscheidend sind. Damit ergibt sich ein bestimmtes Erziehungssystem. Mit jährlichen Rebschnittmaßnahmen (Winterschnitt, Sommerschnitt – Laubarbeiten) wird dem spontanen Wachstum der Rebe entgegengewirkt, um das gewählte Erziehungssystem zu erhalten. Bei allen Erziehungssystemen ist man bestrebt, einerseits eine möglichst gute Laubwandstruktur (zur Sicherung der Qualität und Quantität) und andererseits eine leichte Bearbeitbarkeit zu ermöglichen.
1.1. Rahmenerziehung
Die „rheinhessiche Erziehung“ mit mehren, übereineinander liegenden Drähten („Drahtrahmen“) ist das heute in Deutschland verbreiteste Erziehungssystem bei der Keltertraubenerzeugung. Es wird in unseren Bürgerwingerten verwendet. Hierbei ziehen wir Stämmchen von 70–90 cm Höhe. In der Reihenrichtung schneiden wir ein oder zwei Halbbögen an. Diese werden über einen Hilfsbiegedraht in einem leichten Knick nach unten gebogen und an dem darunter befindlichen Biegedraht festgebunden. Der Bau des Drahtrahmens und der richtige Abstand der Biegedrähte voneinander sorgen dafür, dass die Trauben und Blätter nicht zu dicht beieinander hängen und schneller trocknen. Unten stehende Grafik zeigt wie die Drähte und in welchem Abstand zum Boden gespannt werden.
1.2. Stock- oder Pfahlerziehung
In Deutschland ist sie unter Moselpfahlerziehung bekannt. Die Rebstöcke werden einzeln und freistehend an einem senkrechten Stützpfahl erzogen (siehe Grafik oben). Im Bürgerwingert 2 wollen wir einzelne Esstrauben auf diese Weise kultivieren.
2. REBSCHNITT
Weinreben brauchen jährlich einen Schnitt. Er erfolgt nach den Spätfrösten z.B. Ende Februar. Zum Glück ist der Weinstock eine flexible Pflanze, die viel mit sich machen lässt. Der häufigste Fehler beim Rebschnitt ist, dass zu wenig geschnitten wird!
2.1. Ziel des Rebschnitts
Wichtigstes Ziel beim nachhaltigen Rebschnitt ist nicht, möglichst viele Trauben pro Stock zu bekommen, sondern den Stock möglichst gesund zu halten und nicht zu überfordern! Das ist auch für die Qualität der Trauben wichtig.
- Es gibt eine Hauptrute (Fruchtrute) aus einjährigem Holz, die beim späteren Anbinden im Bogen über gespannte Drähte runtergebunden wird. Aus dieser sollen im aktuellen Jahr die Trauben tragenden Fruchttriebe wachsen.
- Es gibt einen Zapfen (extrem zurückgeschnittene Rute mit einem Auge), aus dem im optimalen Fall eine neue kräftige Rute wachsen soll, die dann im nächsten Jahr (einjährig) die Fruchtrute werden soll.
2.2. Vorgehen beim Rebschnitt
Da wir in unseren lange brach gelegenen Wingerten (anders als in seit Jahren dauergepflegten Wingerten) sehr unterschiedliche Zustände der Stöcke haben, können nicht alle Stöcke gleichbehandelt und geschnitten werden können. Ein optimaler Schnitt ist bei unseren zum Teil sehr alten und nicht durchgängig gepflegten Stöcken selten erreichbar. Mal hat sich kein kräftiger, eindeutiger Kopf entwickelt, sondern eine Aneinanderreihung von Köpfchen, mal ist ein Teil des Kopfes bereits ausgetrocknet. Wir versuchen dann das Beste draus zu machen indem wir längs der unten ausgeführten Rebschnittanweisung vorgehen.
Bevor man loslegt ist es ratsam sich von einem erfahrenen Winzer direkt im Weinberg unterweisen zu lassen.
2.3. Schneiden der neuen Fruchtrute
Bei jedem Stock schauen wir zunächst, wie viele kräftige voll entwickelte Fruchttriebe er im letzten Jahr auf dem Bogen geschafft hatte (schwache, dünne Fruchttriebe zählen wir nicht, nur die kräftigen). Das ist die Vorgabe, was er im aktuellen Zustand schaffen kann.
- Die heruntergebogene Rute, die im letzten Jahr die Fruchttriebe hervorbrachte, wird mit allen ihren Trieben weggeschnitten.
- Die Rute, die letztes Jahr aus dem Zapfen gewachsen ist, wird möglichst die diesjährige Fruchtrute. Da im letzten Jahr in der Regel mehrere neue Ruten gewachsen sind (nicht nur aus dem Zapfen, sondern auch direkt aus dem Kopf), kann es sein, dass andere als die von uns vorgesehene Rute sich besser entwickelt haben. Hier muss nun entschieden werden, welche davon der neue Bogen werden soll, abhängig von Gesundheit und Wuchsrichtung dieser Ruten. Ruten, die z.B. deutlich in die Rebgasse wachsen statt in Spalierrichtung, sind ungeeignet.
- Hatten wir z.B. auf einem letztjährigen Bogen 10-12 Augen gelassen, sich daraus aber nur 5 gesunde Fruchttriebe entwickelt, dann sollte das unsere Vorgabe sein: Dieser Stock war mit 10-12 Augen überfordert. Wir lassen ihm deshalb dieses Jahr eine Fruchtrute mit 5 Augen (plus 2 Ersatzaugen, also 7). Wenn die Augen sehr eng stehen, enger als 10-12 cm, bricht man die zu eng stehenden Augen aus und zählt die übrig gebliebenen. Im nächsten Jahr hat dieser Stock vielleicht auch aus den Ersatzaugen gesunde Triebe entwickelt – dann kann man entsprechend mehr Augen stehen lassen. Die Rute wird auf die gewünschte Augenzahl gekürzt und später im Frühjahr als Bogen herunter gebunden.
- Beim Kürzen der Rute darauf achten, bis ins lebendige Holz zu kürzen, keine vertrockneten Enden stehen lassen.
2.4. Schneiden des Zapfens
Als Zapfen (aus dessen Auge die Fruchtrute fürs nächste Jahr wachsen soll) suchen wir einen Trieb, der möglichst auf der der Rute gegenüberliegenden Seite des Rebkopfes wächst. Ein einseitigen Saftfluss im Kopf soll vermieden werden damit nicht eine Seite austrocknet und abstirbt. Der Ansatz des Zapfens am Kopf soll möglichst etwas niedriger liegen als der Ansatz der Fruchtrute, sonst würde die (später runtergebogene) Fruchtrute möglicherweise unterversorgt, denn der Saft will nach oben. Den Trieb schneidet man auf ein Auge herunter, im Zweifel auf zwei. Eines davon kann man noch nach Austrieb entfernen. Wichtig ist: Der Trieb wird ca. 1 cm über dem Auge abgeschnitten, so dass beim Eintrocknen der Zapfenschnittstelle nicht das Auge mit austrocknet.
2.5. Weitere Schneidearbeit
Alle anderen Ruten werden unmittelbar am Rebkopf weggeschnitten. Das gilt auch für alte eingetrockneten und abgestorbenen Zapfen und Knoten. Es sollen keine Stellen vorhanden sein, an denen sich Feuchtigkeit sammeln kann, was den Pilzbefall begünstigen würde.
Falls wir auf einen Stock stoßen, der zwar noch lebt, aber sich im letzten Jahr so entwickelt hat, dass dieses Jahr keine Fruchtrute schneidbar ist, schneiden wir alle Ruten ab und hoffen darauf, dass sich im neuen Jahr eine Rute entwickelt, die dann im nächsten Jahr die Fruchtrute sein wird.
2.6. Wohin mit den abgeschnittenen Ruten
Alle abgeschnittenen Ruten belassen wir im Wingert. Sie verrotten hier und geben ihre Inhaltsstoffe wieder an die Reben ab. Wir schneiden alle Ruten mit der Rebschere in kleine ca. 5 cm große Abschnitte. Sie sollen die Arbeiten im Weinberg nicht behindern und beim Durchgang mit dem Mulcher weiter zerkleinert werden.
3. BIEGEN UND BINDEN DER FUCHTRUTEN
Die nach dem Schnitt formierten Fruchtruten stehen meist schräg aufrecht. Wegen der „Spitzenförderung“ würden sich nur die oberen Knospen optimal entfalten können. Deshalb werden Ruten bogenförmig über den zweiten Draht an den ersten Draht nach unten gebunden. Es muss nicht zeitgleich mit dem Schnitt erfolgen, sondern findet am besten nachträglich, bei feuchtem Wetter statt, weil dann die Triebe geschmeidiger sind.
Alle Ruten werden möglichst nach einer Seite angebunden. Bei Hanggrundstücken empfiehlt sich das Anbinden zur Talseite hin. Dabei achten wir darauf, dass das Ende des Bogens mindestens auf gleiche Höhe, besser noch leicht tiefer als der Ansatz der Rute am Kopf liegt. Die Mitte des Bogens soll durch einen Draht gut abgestützt sein. Dies soll eine gleichmäßige Saftversorgung der aus den Augen sprießenden neuen Fruchttriebe gewährleisten.
Das Biegen und Binden erfordert Handfertigkeit, damit die Triebe nicht brechen. Mitunter ist es erforderlich, einen störrischen Trieb mit beiden Händen zu fassen und Stück für Stück weich zu biegen, dass es knirscht bevor er in die gewünschte Lage gebogen und angebunden wird.
Wenn irgend möglich, sollte immer zur Ursprungs-Achse hin gebogen werden. Ein Biegen weg von der Achse birgt die Gefahr, dass der gesamte Trieb an seiner Basis ausbricht. Um ein Brechen zu verhindern, wird der Trieb beim Biegen zudem noch leicht verdreht. Zum Binden wurden traditionell Weidenruten, heute zumeist papierummantelter Bindedraht benutzt. Einfacher Metalldraht kann den Bast der Rute leicht verletzen. Alte Binder vom Vorjahr in den Drähten werden entfernt .
4. LAUBARBEITEN IM WINGERT
Weiträumig gepflanzte Rebanlagen im Direktzug sind weniger durch Pilzkrankheiten bedroht, da Blätter und Trauben wegen der besseren Durchlüftung nach Regenfällen schneller abtrocknen.
Sorgfältige Laubarbeiten verbessern die Durchlüftung der Anlage und beschleunigen das Abtrocknen der Laubwände.
Durch die Auswirkungen des Klimawandels sind die Trauben während ihrer Reife durch Botrytis und andere Traubenfäulen stärker gefährdet. Eine gute Durchlüftung der Traubenzone und eine lockere Traubenstruktur können dieser Gefahr sehr wirkungsvoll begegnen.
Alle Arbeiten außer Mulchen und Mahd werden von eingewiesenen Personen mit der Rebschere ausgeführt. Blätter können auch manuell abgezupft oder mit dem Fingernagel abgeknipst werden.
4.1. Ausbrechen
Ab Mai (im 3-6 Blatt-Stadium) erfolgt das Ausbrechen der Triebe am Stamm („wilde Triebe“) sowie der Doppel- und Kümmertriebe. Die Rebe hat dann mehr Kraft für die fruchtenden Reben und mehr Luft.
4.2. Ranken in die Drähte einweisen
Die aus den Ruten gesprossenen neuen Ranken sollen nicht in die Gassen oder auf den Boden hängen. Sie werden zwischen die Drähte eingewiesen. Sie stören sonst die Bearbeitung der Zeilen und trocknen schlecht ab. Im Zuge des Einweisens werden auch die Wasserschosse ausgebrochen und die aus der Rebunterlage sprossenden Bodentriebe abgeschnitten.
4.3. Gipfeln
Die vegetative Entwicklung erreicht im Juli ihren Höhepunkt. Die gewünschte Laubwandhöhe wird erreicht und die wachsenden Triebe müssen eingekürzt werden. Damit soll folgendes erreicht werden:
- Verhinderung der Energieinvestition der Rebe in weiteres Triebwachstum statt in die Trauben.
- Förderung der Traubenreife und des Mostgewichtes.
- Vermeidung schädlicher Selbstbeschattung und frühzeitiger Blattvergilbung im inneren Stockbereich.
- Verbesserung des Kleinklimas, um pilzliche Krankheiten (Beeren- und Stielfäule) zu hemmen.
- Begünstigung der Holzreife der Ranken.
- Erleichterung von Pflanzenschutz und Bodenpflegearbeiten
Für die optimale Ernährung der zumeist zwei Trauben je Trieb sind 12-14 Blätter notwendig. Auf trockenen Standorten mit hoher Wasserkapazität ist die höhere Blattzahl anzustreben. In trockenen Jahren ist ein früher Gipfeltermin vorteilhaft, damit die Wasserreserven nicht durch weiteres vegetatives Wachstum unnötig verbraucht werden. Auch in sonnenarmen Jahren empfiehlt sich eine niedrige Laubwand, da unter solchen Bedingungen durch viele Blätter auch viele Assimilate (die durch Photosynthese entstandenen Produkte) veratmet werden und demzufolge weniger Zuckerstoffe in die Trauben eingelagert werden können. In Jahren mit hoher Temperatursumme erhöhen viele Blätter die Assimilatbildung und es kann viel Zucker in die Trauben eingelagert werden.
Der optimale Zeitpunkt ist dann gegeben, wenn die Triebe zwar noch aufrecht stehen, aber sich abzeichnet, dass sie sich langsam umbiegen. Ein zu früher Gipfeltermin ist zu vermeiden, da zu früh geschnittene Anlagen niedrigere Mostgewichte bringen, eine frühzeitige Geiztriebebildung einsetzt und somit öfters gegipfelt werden muss, als in rechzeitig geschnittenen Anlagen.
Beim ersten Gipfeln ist der Trieb 2 Blatt über dem obersten Draht zu kappen. Beim zweiten Gipfeltermin soll nicht mehr der Haupttrieb abgeschnitten , sondern nur die nachgewachsenen Geiztriebe eingekürzt werden.
4.4. Entblättern der Traubenzone
Zur Förderung der Durchlüftung erfolgt eine Teilentlaubung der Traubenzone. Während Weißweinsorten in der Regel nur einseitig auf der sonnenabgewandten Seite entblättert werden, empfiehlt es sich, dichtlaubige Rotweinsorten beidseitig zu bearbeiten. Um dabei Sonnenbrandschäden an Trauben zu vermeiden, sollten diese Arbeiten entweder sehr frühzeitig bis zur Schrotkorngröße der Trauben oder später nach dem Beginn der Reife durchgeführt werden. Dies ist eine wichtige Vorbeugungsmaßnahme gegen Botrytis.
Dabei werden in der Traubenzone die Geiztriebe entfernt und die unteren Blätter. Von oben sollen die Trauben noch beschattet sein, geht man in die Knie, kann man hindurchschauen. Das Blatt, das der Traube gegenübersteht, soll hängenbleiben. Dieses Blatt ist für die Geschmacksentwicklung des Weines von großer Bedeutung.
5. TRAUBENTEILUNG und TRAUBENBRUCH
Zur Förderung einer lockeren Traubenstruktur wird bei zu kompakten Henkeln empfohlen, sie vor dem Traubenschluss durch Abschneiden des unteren Drittels zu reduzieren, die Trauben zu teilen. Dies soll ein gegenseitiges Abdrücken und Aufplatzen der Beeren verhindern. Die Traubenteilung ist eine wichtige Vorbeugungsmaßnahme gegen Botrytis.
Eine Alternative zum Trauben teilen ist der Traubenbruch. Dafür braucht man keine Schere. Der Zeitpunkt ist später als beim Trauben teilen, nämlich erst kurz nach Traubenschluss, aber unbedingt vor dem Beginn des weich Werdens. Man fasst die Traube mit der einen Hand oben an, mit der anderen Hand unten. Dann dreht man oben in die eine, unten in die andere Richtung. Dann purzeln genau jene Beeren heraus, für die es zu eng wird. So verliert man weniger als beim Trauben teilen. Die Traube ist aber nicht mehr so dicht gepackt wie zuvor. Dieses Vorgehen empfiehlt sich vor allem beim Pinot Noir.
Die Henkel der alten Reben im Bürgerwingert waren bislang jedoch relativ klein und genügend lockerbeerig, so dass auf beides verzichtet werden konnte. 2019 erfolgte eine selbständige Auflockerung durch herausriesende Sonnenbrand-Beeren.
Die Trauben von Kümmertrieben sollen komplett entfernt werden. Sie würden nicht ganz reif werden und besitzen wenige Geschmacksextrakte.
Diese Arbeiten erfordern großes Geschick und sollten nur von erfahrenen Bürgerwingertlern durchgeführt werden!!
6. REBNEUPFLANZUNG
6.1. Rebunterlagen
Wir pflanzen wegen der Bekämpfung der Reblaus nur veredelte Reben. Die Unterlage auf die die Rebsorte gepfropft ist ist eine reblausresistente Art (Vitis riparia, Vitis berlandieri … bzw. Hybrieden hieraus). Wichtig ist die Auswahl der richtigen Unterlage. Für unsere Hanglagen mit felsigem Untergrund benötigen wir für optimales Rebwachstum sehr stark wachsende Unterlagen. Für trockene Hanglagen empfiehlt sich im oberen Bereich 124AA, für unten und bei Wiederbepflanzung 5 BB. Flachwurzelnde Unterlagen sind nicht geeignet weil der Oberboden in süd- oder südwestexponierten Hanglagen oft austrocknet.
6.2. Wurzelnakte Reben oder Kontainerpflanzen?
Wurzelnakte Reben sind für Pflanzungen im Weinbau vorzuziehen. Zwar kann man Kontainerpflanzen das ganze Jahr über pflanzen, die Pflanzen sind jedoch durch den Humus verwöhnt, die Wurzeln füllen den Kontainer aus. Im Weinberg tun sie sich jedoch schwer, zielstrebig Wurzeln nach unten zu entwickeln.
6.3. Lagerung wurzelnackter Weinreben
Veredelte Reben werden von März bis April (Mai) verkauft. Eine gegebenenfalls um die Wurzeln gewickelte PE-Folie dient als Schutz vor Austrocknung, wird aber vor der Pflanzung entfernt. Kann die Pflanzung nicht innerhalb weniger Tage erfolgen, können die Reben an einem kühlen, schattigen Platz (z.B. Kühlschrank) noch eine Zeit ausharren, sollten aber weiterhin gegen Austrocknung und Licht geschützt werden.
6.4. Pflanzung wurzelnackter Weinreben
Gepflanzt wird wird im Frühjahr, wenn der Boden frostfrei ist.
- Vor der Pflanzung werden die Weinreben ca. 1 Tag mit den Wurzeln in Wasser gestellt. Die ungefähr 15 cm langen Wurzeln enthalten kostbare Reservestoffe und werden NICHT nochmals beschnitten.
- Das Pflanzloch sollte wenigstens etwas tiefer als die Länge der Rebe von der Veredlungsstelle bis zu den Wurzelspitzen sein. Der Durchmesser sollte so groß sein, dass sich die Wurzeln ohne Verbiegen einführen lassen. Pflanzpfahl setzen. Dann eine Unterschicht aus (gesiebter) Feinerde auflegen, die Rebe so ins Pflanzloch setzen, dass die Wurzeln nach außen zeigen. Pflanzerde (keinen Humus!) einfüllen, darauf achten, dass keine Grünpflanzen dabei sind. Sorgfältig andrücken, nicht antreten. Gießring ausbilden und mit 5 – 10 Litern Wasser angießen. Der ballige Pfropfkopf sollte letztlich ca. 3 – 5 cm aus dem Erdreich herausschauen. Die vorhandene Paraffinschicht schützt vor Austrocknung und bröckelt später ab.
- Dann wird die „Wurzelstange“ der Weinreben (unterhalb der Veredelungsstelle) an den Pfahl gebunden. Die Pflanzscheibe kann gemulcht werden. Alle Reben freuen sich über eine Pflanzscheibe von 0,5 bis 1 qm. Förderlich ist es, die Pflanzscheibe ca. 5 – 8 cm hoch mit Grasschnitt, Laub oder Stroh zu bedecken und diese Mulch-Schicht regelmäßig zu erneuern, um ein Austrocknen zu verhindern und kraftzehrenden Bewuchs zumindest im 1. Jahr fern zu halten.
- Verbissschutz gegen Rehe, Kaninchen usw. ist erforderlich, also z. B. eine Einhausung in Kunststoff- oder Drahtgitter. Dank sogenannter „schlafender Augen“ schaffen es die Reben nach einem ungewollten Wegbrechen oder Wegfressen des jungen Austriebs noch 1 bis 2 -mal nachzutreiben.
Der Austrieb kann je nach Vortriebsstadium der Reben und Witterungsverlauf dann ca. 1 – 4 Wochen dauern. Der stärkste Trieb wird bei 15 – 20 cm erreichter Länge vorsichtig an den Stab gebunden, alle anderen Triebe werden ausgebrochen.
6.5. Jungreben pflegen und schneiden
Die Pflege im ersten Jahr
Der Trieb wird fortlaufend angebunden mit dem Ziel, eine möglichst große Wuchshöhe zu erreichen. Nebentriebe halte man kurz. Nach dem Startguss bei der Pflanzung ist abhängig vom Wetter eventuell Gießen notwendig. In späteren Jahren kommt der Weinstock – außer in schlimmen Trockenperioden – mit den natürlichen Niederschlägen aus.
Der Rebschnitt
Nur das unbedingt Notwendige wird hier aufgezeigt. Es reicht aber aus, um Fehler zu vermeiden und gute Ernten zu sichern.
.. im Jahr nach der Pflanzung
Der März ist die beste Zeit für den Schnitt. Der im Pflanzjahr hochgewachsene Trieb ist nun verholzt und wird auf ca. 60 cm zurückgeschnitten (Abb. 1 schwarz). Das ist die Stammhöhe, von der aus sich der Weinstock ausbreiten soll. Auch höhere Stämme sind möglich. Aus den beiden oberen Augen – weiter untenstehende werden nach dem Austrieb ausgebrochen – wachsen nun die Triebe hervor, die im darauffolgenden Jahr die Tragreben bilden.
Wir fördern deren geraden, starken Wuchs, indem wir sie fortlaufend hochbinden und Seitentriebe, die aus den Blattachseln herauswachsen, entfernen.
… ein Jahr später
Einen der im vorausgegangenen Jahr gehegten Triebe kürzen wir auf 6 bis 8 Augen ein, den anderen möglichst untenstehenden auf 2 Augen (Zapfen) (Abb. 1 rot). Mit der langen Rebe formen wir einen leichten Bogen und binden sie am unteren Spalierdraht (Latte) fest (Abb. 2 schwarz). An dieser gebogenen Rebe erwarten wir die erste Ernte.
Jedes der hier austreibenden Augen bringt eine, zwei oder auch drei Traubenhenkel hervor.
7. BODENBEARBEITUNG IM WINGERT
In den Bürgerwingerten bleiben alle Rebgassen das ganze Jahr über begrünt:
- Das ist ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit.
- Dies hat positiven Auswirkungen gegen die Krankheiten Chlorose oder Stiellähme.
- Ein hierdurch erwirktes, gleichmäßiges Stickstoff-Angebot auf niedrigem Niveau lässt ein übermäßiges Rebenwachstum nicht zu und trägt dadurch auch zur Verringerung von Botrytis bei.
- Die Lebensbedingungen für Nützlinge werden verbessert, dem Befall durch tierische Schädlinge entgegengewirkt. (https://www.lwg.bayern.de/mam/cms06/weinbau/dateien/w3_vortrag_biodiversit%C3%A4t.pdf)
7.1. Rebernährung und Düngung
Eine gezielte bedarfsgerechte Nährstoffversorgung ist für Vitalität und Gesundheit der Reben sowie die Qualität der Weine eine zwingende Voraussetzung. Dabei sind sowohl die Nährstoffentzüge und –verluste als auch die Bodenvorräte zu berücksichtigen. Gleiches gilt für die ökologischen Auswirkungen der Düngung auf Grund- und Oberflächenwasser, sowie die Atmosphäre.
Wir belassen die organische Substanz von Rebschnitt und Mahd/Mulchen im Wingert. Diese Humuslieferung reicht zusammen mit der Dauerbegrünung meist aus. Junganlagen brauchen mehr.
Ein Überangebot an Stickstoff (N) führt zu stark wüchsigen Rebanlagen mit den bekannten Nachteilen der erhöhten Krankheits-, besonders aber der Traubenfäulnisgefahr (Botrytis). Wir verzichten auf mineralischen N-Dünger, der im Bioweinbau nicht zugelassen ist! Die Böden unserer Wingerte weisen nach Bodenuntersuchungen eine sehr gute Nährstoffversorgung auf weshalb derzeit auch auf organische Düngung verzichtet wird. Organische N-Dünger (Haarmehlpellets, Hornspäne, Hühnerdung, Malzkeimdünger, Rapsschrot, Vinasse) müssten im März – April ausgebracht werden. Auch durch organische Düngung kann es zu einem Überangebot an Stickstoff kommen.
Für „Extra-Nährstoffschübe“ – sinnvoll zum Austrieb, zur Blüte oder zum Traubenschluss – ist es vorteilhaft unter den Reben zu hacken. Dies setzt Nährstoffe frei und sorgt dafür, dass bei Regen dieser auch bei den Reben ankommt. Diese Maßnahme ist insbesondere bei Jungreben wichtig. Reben unter denen gehackt wurde, entwickeln sich besser und sind kräftiger.
7.2. Mineraliendüngung
Die sehr unterschiedlichen Bodenvorräte der einzelnen Nährelemente in Weinbergsböden erlauben keine pauschalen Aussagen. Es handelt sich um Mineralien, die für das gesunde Pflanzenwachstum erforderlich sind und durch die Begrünung nicht erbracht werden können. Phosphat -, Kali-, Magnesium- und Kalkdüngung muss sich an den Ergebnissen von Bodenuntersuchungen orientieren. Die Böden unserer Wingerte haben durchweg Mangel an Magnesium (Mg). Dieser kann durch das Ausstreuen von Kieserit-Granulat und/oder Mg-Blattdünger ausgeglichen werden. Falls Mangel an Kalium (K) analysiert wurde gleichen wir ihn durch die Ausstreuung von Kaliumsulfat (K2SO4) aus.
7.3. Bodenuntersuchung
Im Abstand von einigen Jahren werden in den Wingerten Bodenproben genommen und zur Untersuchung an ein Analyseinstitut gesandt.
Im Winter werden über den zu untersuchenden Wingert verteilt ca. 2 Bodenproben pro Ar entnommen. Hierzu werden mit einem Spaten ca. 30 cm tiefe Löcher gegraben. Eine Seite des Lochs sollte annährnd senkrecht sein. Auf der senkrechten Seite wird eine wenige Zentimeter dicke Erdschicht über die Lochtiefe abgestochen und ohne Pflanzenmaterial in einen Eimer gegeben. So wird mit allen Proben des Wingerts verfahren. Die Proben werden in dem Eimer gut durchmischt. Anschließend wird die Erdprobe gut getrocknet (z.B. im Heizungskeller).
Von der getrockneten, gut durchmischten Erdprobe werden 500 gr abgewogen und als Paket versandt an:
Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg (LTZ)
Neßlerstr.23
76227 Karlsruhe
Tel. 0721/9468-172,
Fax 0721/9468-112
Auf www.ltz-bw.de findet man dort unter „Service“ das Formular für Bodenproben. Der Auftrag wird erteilt für „Boden-Grunduntersuchung“ (pH, P, K, Mg, Bor, Humus)
Eine Zustimmungserklärung zum Datenschutz muss gegeben werden (zu lesen auf dem amtlichen Formular für den Untersuchungsauftrag).
Aus dem Prüfbericht des Analyseinstituts erhält man eine Übersicht über die Bodenverhältnisse und Vorschläge für eventuell erforderliche Düngung.
7.4. Mähen und Mulchen
Im Unterstockbereich soll hoher Aufwuchs gemäht werden (am besten mit dem Freischneider). Es dürfen keine Pflanzen in die Rebe hinein wachsen. Hacken um die Rebe herum tut ihr gut.
Zwischen den Zeilen mulchen (Mulcher) erleichtert die Passierbarkeit der Gassen. Den Reben werden hierdurch Nährstoffe zugeführt. Dies ist beim Austrieb und nach der Blüte erwünscht. Zum falschen Zeitpunkt gemulcht erhöht sich jedoch die Gefahr von Pilzbefall. Bei langanhaltender Trockenheit kann zuerst jede zweite Gasse, falls erforderlich jede, gemulcht bzw. gemäht werden, um Wasserkonkurrenz für die Reben auszuschalten. Bei hoher Feuchtigkeit sollte nicht gemäht werden. Der Gassenbewuchs fördert die Verdunstung der Feuchtigkeit und fördert das schnelle Abtrocknen, reduziert damit die Gefahr von Pilzkrankheiten.
Die Bodenfruchtbarkeit hängt von der Durchwurzelung des Bodens durch unterschiedlichste Pflanzen im Weinberg ab. Das schafft die Rebwurzel nicht alleine. Die Wurzeln geben auch Nährstoffe an die Bodenlebewesen (Bakterien, Pilze …) ab, die wiederum die Nährstoffe des Bodens so aufschließen, dass sie von der Rebe genutzt werden können. Allerdings muss trotzdem gemäht werden:
- bei Frostgefahr
- bei großer Trockenheit
- zur Förderung der Durchlüftung des Weinbergs
Ziel der Bodenpflege ist die Ausbildung eines artenreichen natürlichen Bewuchses in den Gassen. Insbesondere Leguminosen (Klee, Luzerne) sind in der Lage Luftstickstoff zu Nitrat umzuwandeln, was eine Düngung weitestgehend erübrigt. In den Bürgerwingerten werden in der Regel keine Aussaaten vorgenommen. Auch ist eine generelle Bodenlockerung nicht erforderlich, da die Wingerte nie mit schwerem Gerät befahren wurden und werden, also keine Bodenverdichtung vorliegt.
Brennnesseln sollen nur außerhalb der Flugphase der Glasflügelzikade (von September bis Februar) gemäht oder ausgerissen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass an ihren Wurzeln sitzende Glasflügel-Zikaden beim Ausfliegen wegen fehlender Wirtspflanzen Rebblätter anstechen und die Schwarzholzkrankheit übertragen.
Goldrute kann die ganze Vegetationsperiode vor allem nach Regen möglichst mit dem Wurzelstock heraus gerissen werden, Austriebe von Brombeere, Clematis und Robinie können jederzeit bodennah abgeschnitten werden.
8. REBSCHUTZ IM WINGERT
Wir bewirtschaften die Wingerte nach biologischen Vorgaben. Dies bedeutet keineswegs nur den Verzicht auf chemisch-synthetische Mittel (Herbizide, Fungizide, Akarizide und Insektizide). Unsere Aufgabe ist es, durch indirekte, vorbeugende Maßnahmen den Druck der Schaderreger zu mindern, so dass möglichst wenig direkte Maßnahmen (z.B. Spritzmittel) eingesetzt werden müssen. Dies beginnt bei der Rebauswahl. So sind wir dabei Teile der Wingerte auf pilzwiderstandsfähige Rebsorten (PIWIS) umzustocken. Bodenaktivierung, luftige Reberziehung und termingerechte Laubarbeiten wurden in vorhergehenden Kapiteln beschrieben.
Hierzu gehört auch die Förderung der Nützlinge.
8.1. Nützlingsförderung
Viele der Krankheitserreger haben Gegenspieler, es sei denn, Nutzorganismen wurden durch großflächige Monokulturen und/oder massiven Pflanzenschutzmitteleinsatz stark dezimiert. So haben z.B. die Schädlinge Kräusel-, Bohnenspinn-, und Pockenmilbe sowie Rote Spinne in einem artenreichen Weinberg zahlreiche Gegenspieler zum Feind. Unter anderen gehört auch die Raubmilbe Typhlodromus pyri hierzu, die zu den wichtigsten Nützlingen im ÖkosystemWeinberg zählt. Auch die Rebzikade und andere Schädlinge oder Rebkrankheiten können durch natürliche Gegenspieler reguliert werden, so dass sich eine Bekämpfung erübrigt.
8.2. Zugelassene Rebschutzmittel
Im BIO-Weinbau dürfen nur hierfür zugelassene Mittel eingesetzt werden:
- Netzschwefel gegen Oidium (echter Mehltau).
- Kupferpräparate (Kupferhydroxid, Kupferoktanoat) gegen Peronospora (falscher Mehltau) Maximale Aufwandmenge 3 kg Rein-Kupfer / ha und Jahr (kumuliert über alle Kupferpräparate)
- Bacillus thuringiensis gegen Raupen verschiedener Falter (Einsatz in den Bürgerwingerten derzeit nicht erforderlich).
- Pheromone gegen Einbindiger & Bekreuzter Traubenwickler / Heu- und Sauerwurm. Wirken über Verwirrungsstrategie der Männchen (Einsatz in den Bürgerwingerten derzeit nicht erforderlich).
- Raps-und Paraffinöl gegen Spinnmilben (Einsatz in den Bürgerwingerten derzeit nicht erforderlich).
Bei Kupfer-Mitteln Die oben aufgelisteten Mittel haben nur eine geringe Dauerwirkung und werden durch Regen leicht abgewaschen. Sie wirken nur präventiv und nur bei Kontakt. Hieraus ergeben sich kürzere Behandlungsabstände von 8-10 Tagen. Die Mittel wirken in Kombination mit den oben erwähnten Maßnahmen einer sauberen und luftigen Bestandsführung.
8.3. Zugelassene Pflanzenstärkungsmittel
Zusätzlich sind für den BIO-Weinbau registrierte Mittel zur Pflanzenstärkung und damit der Verringerung der Anfälligkeit für Krankheiten zugelassen. Sie dürfen bei korrekter Anwendung keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch und Tier haben, Grundwasser und Naturhaushalt nicht belasten:
- Natrium- bzw. Kaliumbicarbonat („Natrium“ als Backtriebmittel) gegen Oidium, Botrytis durch Auslösung unspezifischer Resistenz , pH-Wert-Veränderung (pH 12) und Austrocknung.
- Kalium- Wasserglas gegen Wintereier von Spinn- und Kräuselmilben (in Verbindung mit Netzschwefel), Abtötung über Luftabschluss, Tracheenverklebung (= Verschluss der Luftversorgungsorgane). Gegen Oidium und Botrytis durch Verkieselung (= Umwandlung der Oberfläche. zu mikrokristallinem Siliziumdioxid (SiO2)), Verhärtung der Epidermis (= Oberflächen-zellschicht) und pH-Wert-Veränderung.
- Frutogard (Algen + Kalium-Phosphonat) fördert die Einlagerung von Speicherstoffen (Stärke, Zucker, Eiweiß) durch die Nährstoffe Phosphor und Kalium.
- Siapton (rein pflanzlich), N (organisch gebunden) 9 %, Aminosäuren und kurzkettige Peptide > 700 g / l, Freie Aminosäuren > 10%
- Mycosin Vin (Schwefelsaure Tonerde, Pflanzenextrakte) Pflanzenstärkungsmittel, dient allgemein der Gesunderhaltung der Pflanzen, fördert ihre Gesundheit und Vitalität, insbesondere bei Rebsorten, die empfindlich gegenüber Falschen Mehltau (Peronospora) reagieren.